Die Zeichen verdichten sich, dass die Politik in Berlin eine Corona-Testpflicht für Unternehmen durchsetzen will – obwohl die Wirtschaft dagegen schon seit Wochen massiv protestiert. Denn dass eine Pflicht zu besserem Corona-Schutz von Mitarbeitern und Kunden führt, dürfte eher Wunschdenken sein. Stattdessen könnte das Festhalten an der Pflicht als tiefsitzendes Misstrauen der Politik gegenüber der Wirtschaft gewertet werden, mahnt Dr. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer der Bürogemeinschaft der Arbeitgeberverbände. Denn was in der Debatte völlig ausgeklammert werde, ist die Tatsache, dass die Unternehmen schon längst umfangreich in den Schutz ihrer Mitarbeiter investieren und dabei auch keine Kosten scheuen. Eine neue, branchenübergreifende Umfrage der Bürogemeinschaft zeigt, was die Betriebe seit Beginn der Pandemie für Schutzmaßnahmen ausgegeben haben.
Ausgaben für Masken, Desinfektionsmittel und Hygienekonzepte
So hatten nahezu alle befragten Unternehmen Ausgaben für Schutzmaßnahmen. Die meisten investierten zwischen 10.000 und 50.000 Euro in die Maßnahmen. Abhängig ist dies von der Größe des Unternehmens, der Zahl der Mitarbeiter, die nicht im Homeoffice arbeiten können und den baulichen Gegebenheiten sowie dem direkten Kundenkontakt. Nahezu alle Firmen, die Ausgaben für Schutzmaßnahmen hatten, kauften Masken (99%) und Desinfektionsmittel (95%). Zudem fielen Kosten für die Erstellung eines Hygienekonzepts (94%) an und zusätzlichen Reinigungsaufwand (90%). In einem Drittel der Betriebe entstanden Kosten durch IT-Schulungen und die Freistellung von besonders schutzbedürftigen Mitarbeitern, 28 Prozent der Teilnehmer beschafften Schutzkleidung.
In den Firmen, bei denen keine Maßnahmen getroffen wurden, sind entweder alle Mitarbeiter seit Beginn der Pandemie im Homeoffice oder es herrscht zu hundert Prozent Kurzarbeit. Dies betrifft etwa Firmen im Veranstaltungssektor wie Messe- und Bühnenbau oder Unternehmen, die Beratungen im B2B-Bereich anbieten.
Vor allem kleine Unternehmen finanziell stark belastet
Um ein besseres Bild davon zu gewinnen, wie stark vor allem kleine und mittlere Unternehmen durch Corona-Schutzmaßnahmen finanziell betroffen sind, setzten die Auftraggeber der Umfrage die geschätzten Kosten in Relation zur Betriebsgröße. Dabei ergab sich, dass vor allem kleinere Unternehmen unterschiedlich viel Geld in Schutzmaßnahmen investiert haben. Im Median gaben kleine Unternehmen bis 99 Mitarbeiter rund 14.000 Euro für Corona-Schutzmaßnahmen aus. In Unternehmen mit 100 bis 249 Mitarbeitern wurden im Schnitt rund 30.000 Euro investiert, in Betrieben mit 250 bis 499 MitArbeitern etwa 50.000 Euro, in Unternehmen mit 500 bis 999 Mitarbeitern rund 70.000 Euro und in Firmen ab 1000 Mitarbeitern etwa 150.000 Euro. Darin zeigt sich, dass vor allem kleine Unternehmen stark belastet wurden.
Deutlicher wird es allerdings bei einem Blick auf die Varianz zwischen den genannten Summen der Unternehmen bis 99 Mitarbeiter. So reichen die Angaben von 50 Euro bis zu 300.000 Euro. Dafür gibt es mehrere Gründe: Können viele Mitarbeiter von zu Hause aus arbeiten oder müssen sie in den Betrieb kommen (z.B. im Produktionsbereich)? Hat der Betrieb viel Kundenkontakt oder besondere Hygieneanforderungen zu erfüllen? Ist die IT schon vor der Pandemie so eingerichtet gewesen, dass Homeoffice möglich war oder mussten die Voraussetzungen erst geschaffen werden? Zudem zeigt sich, dass die Unternehmen auch unterschiedlich stark beim Schutz ihrer Mitarbeiter und Kunden engagiert sind. Viele boten schon Corona-Schnell- und PCR-Tests an, als sie noch gar nicht überall verfügbar waren und eine Testpflicht nicht gedacht wurde.
Testpflicht bietet nicht mehr Schutz, nährt stattdessen die Regelungswut der Politik
"Die Umfrage zeigt, dass die Unternehmen schon seit Beginn der Corona-Krise massiv in den Schutz ihrer Mitarbeiter und Kunden investieren", sagt Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände Schmidt. Doch das werde von der Politik nun weitgehend ignoriert. "Von staatlicher Seite hat es unserer Kenntnis nach bisher kein substanzielles Angebot gegeben, den Firmen für diese Leistungen finanziell unter die Arme greifen zu wollen", sagt Schmidt. Angesichts der Diskussion um eine gesetzliche Testpflicht dränge sich der Eindruck auf, die Politik in Berlin würde diese immensen Anstrengungen der Unternehmen komplett ignorieren.
Zudem sei es nicht in erster Linie der finanzielle Aspekt, weshalb sich die Wirtschaft so vehement gegen eine Testpflicht ausspreche. Die Umfrage zeige ja, dass die Unternehmen keine Kosten scheuten, um ihren Mitarbeitern und Kunden größtmögliche Sicherheit zu bieten. "Eine gesetzliche Verpflichtung bedeutet ein Mehr an Bürokratie", warnt Schmidt. Müssen Unternehmen die Tests selbst anbieten oder können sie ihre Mitarbeiter gegen Rechnung auch zu Drittanbietern schicken? Müssen die Unternehmen haften, wenn sie nicht ausreichend Tests beschaffen können? Diese bislang ungeklärten Fragen zeigten, dass eine Testpflicht nicht in mehr Sicherheit für die Mitarbeiter und Kunden münde. "Stattdessen nährt sie die Regelungswut, die in der Politik anscheinend immer weiter um sich greift."