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28. Januar 2020

Konjunkturausblick 2020

NiedersachsenMetall gibt Konjunkturausblick für das Jahr 2020

„Industriekonjunktur vor Vollbremsung – kein Licht am Ende des Tunnels.“

„Unsere Industrie befindet sich in der Rezession. Die Lage ist in Teilen extrem schwierig, um nicht zu sagen dramatisch. Und sie wird von Woche zu Woche problematischer“, fasst Dr. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer der Gemeinschaft der Arbeitgeberverbände im Haus der Industrie in Hannover, die Ergebnisse einer Umfrage unter rund 800 Mitgliedsunternehmen zusammen. „Wir sehen für bedeutende Teile unserer Metall- und Elektroindustrie, die vielerorts das Rückgrat des Arbeitsmarktes ist, derzeit kein Licht am Ende des Tunnels. Wir befürchten, dass in der Automobilindustrie der Schrumpfungsprozess über das Jahr 2020 hinausgehen wird und wir vor einem ausgeprägten Tal stehen, bei dem wir derzeit nicht abschätzen können, wann die Talsohle erreicht ist und wann es wieder aufwärts geht.“ So beurteilen mittlerweile 54 Prozent der befragten Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie ihre Lage als schlecht, ebenso viele gingen im ersten Halbjahr 2020 von einer Verschlechterung der Auftragslage gegenüber dem 2. Halbjahr 2019 aus.

Konjunkturausblick 2020

20 Prozent weniger produzierte PKW in 2019 – Krise frisst sich durch

Schmidt macht diese Entwicklung unter anderem an der deutschen PKW-Produktion fest: „Wir produzierten letztes Jahr 20 Prozent weniger Pkw in Deutschland als noch zwei Jahre zuvor. In absoluten Zahlen bedeutet das statt 5,7 Millionen Fahrzeuge nur noch 4,6 Millionen produzierte Fahrzeuge.“ Diese Entwicklung strahle neben den Zulieferern auf weite Teile der Industrie aus, etwa auf die Grundstoffgüterindustrie, auf den Werkzeugmaschinenbau oder auch industrienahe Dienstleistungen. „Wir sehen sehr deutlich: die Automobilkrise frisst sich in der Industrie durch. Und wir werden es nach unserer Einschätzung noch umso deutlicher spüren, je mehr uns etwa mit Blick auf den exportorientierten Maschinenbau in den nächsten Jahren die Wachstumszentren der Weltwirtschaft fehlen werden.“

Brexit wird weiter unterschätzt – Einbruch bei den Investitionsbudgets

Zwar sei Entspannung in den großen Handelskonflikten zwischen den USA und China sowie zwischen den USA und Europa greifbar, ein weiterer potentieller Belastungsfaktor werde allerdings stark unterschätzt: der Brexit. „Immerhin 44 Prozent unserer Maschinenbauunternehmen sehen im bevorstehenden Brexit einen zentralen Belastungsfaktor für die Geschäftsentwicklung. Dies führt in Summe dazu, dass die Unsicherheit in den Unternehmen hoch bleibt und die Konsequenz eine deutliche Investitionszurückhaltung sein wird.“

So sei auch für viele Unternehmen das gesamte Geschäftsumfeld in Bewegung geraten und ganzen Geschäftsmodellen werde der Boden entzogen: „Vor diesem Hintergrund ist es keineswegs überraschend, dass wir laut unserer Umfrage einen regelrechten Einbruch bei den Investitionsplanungen in der Industrie verzeichnen. Dass 56 Prozent der Maschinenbauer und fast 80 Prozent der Autozulieferer ihre Investitionsbudgets in diesem Jahr kürzen oder sogar ganz streichen, ist der unmittelbare Reflex auf Nachfrageeinbruch, Strukturbrüchen in der Autoindustrie und eine weit grassierende Unsicherheit darüber, wo handelspolitisch wie auch energie- und klimapolitisch die Reise hingehen soll.“

Einstellungsbereitschaft sinkt, mehr Unternehmen in Kurzarbeit, Autosektor droht Entlassungen

Dies habe unmittelbare Konsequenzen für den Arbeitsmarkt: „Bundesweit beobachten wir in der Metall- und Elektroindustrie seit Herbst 2018 eine nachlassende Einstellungsbereitschaft. Dieser Abwärtstrend hat sich seit Frühjahr 2019 deutlich verschärft. Außerdem ist innerhalb der letzten zwei Monate die Zahl der niedersächsischen Betriebe in der Metall- und Elektroindustrie, die im nächsten Halbjahr Kurzarbeit planen, von 25 auf 38 Prozent gestiegen.

Allerdings verhalte sich die Entwicklung im Automobilsektor anders: hier ist laut Umfrage der Wert von einem niedrigeren Ausgangsniveau von 22 Prozent auf 29 Prozent gestiegen, also nur halb so stark wie in der übrigen Industrie. Schmidt erläutert: „Das Zusammenwirken von Nachfragerückgang und Strukturbruch führt dazu, dass angesichts vielfach unklarer Zukunftsperspektiven für das eigene Geschäftsmodell zahlreiche Unternehmen direkt den Weg der Entlassung von Mitarbeitern gehen werden. Über 60 Prozent der Betriebe im Autobereich planen einen Personalabbau in diesem Jahr im Vergleich zu 42 Prozent in der übrigen M+E-Industrie.“

Digitalisierung als Chance für den Arbeitsmarkt

Chancen für die Einstellung sieht Schmidt durch die fortschreitende Digitalisierung: „Es ist nicht so, dass die Personalabteilungen die Suche nach Arbeitskräften eingestellt haben. Es werden vielmehr weiter Softwareentwickler, Wirtschaftsingenieure und Informatiker gesucht, insbesondere also Kräfte, die bei der Steigerung der Produktivität, bei Rationalisierungsmaßnahmen und bei der Implementierung von Digitalisierungsstrategien in den Betrieben helfen, die Kosten zu senken. Aber die Zeiten, in denen man aus Sorge vor dem demografischen Wandel nahezu jede qualifizierte Fachkraft eingestellt hat, sind erst einmal vorbei.“

Die Metall- und Elektroindustrie und hier insbesondere der Automobilsektor und der Maschinenbau würden als Jobmotor auf absehbare Zeit nicht mehr in Erscheinung treten: „Die derzeitige Entwicklungskurve lässt sich mit einer Badewanne vergleichen: Wir haben gerade den oberen Beckenrand verlassen und es geht deutlich runter. Wie tief wir fallen, kann im Augenblick niemand sagen. Und wie breit und wie tief die Wanne sein wird, wissen wir auch nicht. Und ob der Beckenrand auf der anderen Seite überhaupt wieder so hoch sein wird wie der, von dem wir kommen, ist ebenfalls fraglich.“

Große Unzufriedenheit mit aktueller Wirtschaftspolitik

Weiter sei die große Unzufriedenheit mit der Wirtschafts- und Standortpolitik nicht zu überhören. „Die Leichtfertigkeit, mit der die Politik, von der Europäischen Union über die Bundesregierung bis zu zahlreichen Kommunalpolitikern mit den Industriebranchen seit geraumer Zeit Roulette spielt, zeugt von einer bemerkenswerten Gleichgültigkeit gegenüber deren Bedeutung für die Gesamtwirtschaft und gegenüber der beruflichen Existenzgrundlage von Millionen von Arbeitnehmern“, so Schmidt. „Das stellen wir in unseren Umfragen, aber auch in unseren täglichen Gesprächen immer wieder fest.“ Schmidt stellt in diesem Zusammenhang drei konkrete Forderungen an die Politik:

1. Wiedereinführung der degressiven Abschreibung:
Die Unternehmen brauchen Investitionsanreize. Die degressive Abschreibung ist ein optimales Instrument dafür, da es in den ersten Jahren nach der Investition zu höheren Abschreibungsbeträgen führt. Investitionen lassen sich dadurch schneller und leichter finanzieren.

2. Sonderregelungen zum Kurzarbeitergeld (KuG) in Krisenzeiten:
Die Industrie braucht eine Erleichterung des Zugangs zur Kurzarbeit in Anlehnung an die Krisenregelungen 2009. Dies kann die Bundesregierung kurzfristig über eine Verordnungsermächtigung regeln, die es erlaubt, diese Instrumente zielgenau und ohne Verzögerung einzusetzen. Die Unternehmen müssen schnell reagieren können. Es muss den Unternehmen ermöglicht werden, Beschäftigung trotz temporärer konjunkturell oder strukturell bedingtem geringeren Auftragsvolumen zu halten. Hierzu gehören drei konkrete Komponenten: eine Erleichterung des Zugangs zur Kurzarbeit, etwa durch den Wegfall der Drittelerfordernis; eine Kostenentlastung der Unternehmen, etwa durch die Erstattung der Sozialabgaben; und eine Verlängerung der Bezugsdauer der Kurzarbeit auf 24 Monate.

3. Vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags:
Private Investitionen müssen gefördert werden. Niedrigere Steuern und Sozialabgaben sind dafür der unmittelbar einfachste Weg. Ein Hebel dafür ist die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Die Bundesregierung könnte die gesetzlichen Voraussetzungen ohne Zustimmung des Bundesrates schaffen.

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