Die größte deutsche Firma für die Kampfmittelbergung heißt Schollenberger und hat ihren Hauptsitz in Celle.
In diesem August feiert die Firma ihr 20-jähriges Bestehen.
Wenn es um Weltkriegsmunition geht, denkt man erst mal an den Kampfmittelbeseitigungsdienst (KBD). Die Behörde ist für alle Arten von Sprengmitteln zuständig, die irgendwo in Niedersachsens Erdreich vor sich hin rosten. Dass irgendwo durch Zufall ein Sprengsatz gefunden wird, kommt vor, viel häufiger werden Bomben, Granaten und Minen aber bei einer aufwändigen Suche entdeckt. Denn laut Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (SOG) muss jeder, der irgendwo etwas bauen will, nachweisen können, dass in dem Baugrund kein alter Sprengsatz mehr liegt. Was kaum jemand weiß: Die Suche übernimmt nur zum Teil der KBD. Vor Ort kommt eine Firma zum Einsatz, die den Boden mit speziellen Sonden absucht, gefundene Kampfmittel freilegt und die vom KBD entschärften Sprengsätze später zur Entsorgung abtransportiert. Die größte deutsche Firma für die Kampfmittelbergung heißt Schollenberger und hat ihren Hauptsitz in Celle. In diesem August feiert die Firma ihr 20-jähriges Bestehen.
Auf dem Rasen vor dem vor kurzem neu gebauten Bürogebäude steht ein kleines U-Boot. Hinten hängt an einer Kette eine ebenso große Seemine. „Beides haben wir von der Firma Karl Schollenberger aus Sande übernommen. Als Andenken sozusagen“, sagt Klaus Löhle, seit 2009 Geschäftsführer von Schollenberger. Es steht direkt am Eingang, damit jeder Besucher gleich weiß, um was es bei Schollenberger geht. „Wobei wir ja streng genommen keine Seeminen bearbeiten, weil die Meere nicht zu unserem Einsatzgebiet gehören.“ Dafür aber alle anderen Arten von Sprengsätzen, die in Wäldern, Wiesen, Baugrundstücken, Flüssen und Seen die Zeit im Erdreich überdauern. Dazu gehört nicht nur Munition aus zwei Weltkriegen, auch der Kalte Krieg und die Bundeswehr haben auf den Truppenübungsplätzen viel Sprengstoff hinterlassen.
Im brandenburgischen Wittstock etwa liegt das sogenannte „Bombodrom“, ein ehemaliger Übungsplatz der sowjetischen Armee, den die Bundeswehr 2011 aufgegeben hat. Nun hat Schollenberger die Aufgabe, alle Kampfmittel auf dem Areal aufzuspüren. „Wir haben 50 Mitarbeiter vor Ort, trotzdem wird der Einsatz mehrere Jahre dauern“, sagt Löhle. Das „Bombodrom“ ist zurzeit der einzige Großeinsatz, doch jeden Tag bearbeiten die Mitarbeiter von Schollenberger etwa 60 Projekte gleichzeitig. Darunter sind Großprojekte wie etwa für die Deutsche Bahn oder BASF mit Kosten in Millionenhöhe, aber bei den meisten Aufträgen geht es nur um die Überprüfung von Baugrundstücken, auf denen mal ein Haus stehen soll. „Dort sind in der Regel auch nur der Fachkundige und ein Helfer im Einsatz“, sagt Löhle.
Standort Celle ist zentrale Anlaufstelle
Etwa 400 Angestellte arbeiten bei Schollenberger, verteilt auf acht Standorte in Celle, Berlin, Hamburg, Mannheim, Bochum, Bad Abbach bei Regensburg, Wien und Linz. „Dadurch können wird jede Region in Deutschland und Österreich gut abdecken“, sagt Boris Töller, der sich seit 2015 die Geschäftsführung mit Löhle teilt. Die Räumung von Kampfmitteln hat noch immer Konjunktur, allein im vergangenen Jahr hat der KBD in Niedersachsen rund 170 Tonnen Munition geborgen und unschädlich gemacht. Dadurch gibt es auch für die Kampfmittelbergungsfirmen viele Aufträge. Hat Schollenberger 1998 noch klein angefangen, so ist das Unternehmen mit 18 Prozent Marktanteil heute Marktführer. Weil dazu immer mehr Professionalisierung nötig ist, wurde der Standort Celle zur zentralen Anlaufstelle. 35 Mitarbeiter koordinieren hier die Arbeitsmittel, erstellen Schichtpläne und planen die Einsätze. „Es braucht klare Prozesse, damit alle benötigten Leute und Maschinen immer pünktlich vor Ort sind“, sagt Töller. Mit dem neu gebauten Bürokomplex trägt Schollenberger dieser Entwicklung auch äußerlich Rechnung. „Bis vor kurzem musste ein Teil unserer Mitarbeiter noch in Containern arbeiten, weil nicht alle in das alte Gebäude passten“, sagt Löhle. Jetzt sitzen sie nicht nur in modernen Büros, die Abteilungen sind auch wieder so strukturiert, dass beieinander sitzt, wer zusammen arbeitet.
Eine spezielle Ausbildung wird nicht vorausgesetzt, wenn jemand als Kampfmittelbeseitiger ins Unternehmen einsteigen will. „Die Grundlagen werden in einer Art ,Training on the Job‘ vermittelt“, sagt Töller. Daher gewinnt das Unternehmen viele Mitarbeiter durch die Arbeitsagentur, die etwa vorher Maurer oder Bäcker gelernt haben. „Allerdings merken wir auch den Fachkräftemangel, es stehen einfach nicht mehr so viele geeignete Bewerber zu Verfügung“, sagt Töller. Denn eine Voraussetzung muss erfüllt sein: „Unsere Mitarbeiter müssen Deutsch sprechen, denn bei der Arbeit mit Sprengstoff darf es zu keinen Missverständnissen kommen.“
Verdacht auf Munition im Gelände: Der Einsatz beginnt
Die Neulinge fangen als Helfer an, sie graben als Munitionsräumarbeiter unter Anleitung die Löcher für die Sonden. Gleichzeitig erlernen sie in einem Grundkurs das Basiswissen der Kampfmittelbeseitigung. Nach etwa einem Jahr können sie sich zum Sonden- oder Maschinenführer weiterbilden lassen, später folgen die Qualifikation zur fachtechnischen Aufsichtsperson und zum Fachkundigen nach Paragraf 20 des Sprengstoffgesetzes, dem es erlaubt ist, mit explosionsgefährlichen Stoffen zu arbeiten. Der Einsatz für die Kampfmittelräumer von Schollenberger beginnt, wenn die Luftbildauswerter des KBD den Verdacht haben, dass auf einem Gelände Munition liegen könnte und geowissenschaftliche Untersuchungen den Verdacht erhärten. Dann gehen die Mitarbeiter das Gebiet mit Sonden ab, graben Löcher und lassen Sonden hinein, um zu erkunden, was in sechs bis sieben Metern Tiefe liegt.
Vor allem in der Stadt arbeitet Schollenberger mit dieser Tiefensondierung, denn hier sind die Grundstücke in der Regel schon mal überbaut worden und die Kampfmittel immer weiter ins Erdreich gesunken. „Das, was wir dort finden, müssen wir zweifelsfrei identifizieren können und entscheiden, ob es transportabel ist oder nicht“, sagt Löhle. Ist es bloß eine rostige Badewanne, wird sie gleich zur Entsorgung gebracht. Ist es aber eine Bombe, wird sie so gut wie möglich freigelegt und dann dem KBD zur Entschärfung überlassen. Da heutzutage jedes Baugrundstück vorher sondiert wird, ist es sehr selten, dass eine im Erdreich liegende Bombe durch Zufall gefunden wird. „Deshalb ist es auch etwas irreführend, wenn man hört, bei Bauarbeiten sei eine Bombe gefunden worden. Das sind in der Regel die vorausgehenden Sondierungsarbeiten“, sagt Löhle. Denn das Risiko, mit der Baggerschaufel auf einen Blindgänger zu stoßen, gehe fast keine Baufirma mehr ein.