Bildung auf dem Prüfstand
Auf dem diesjährigen Bildungskongress im Hannover Congress-Centrum diskutierten Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft vor über 200 Gästen gemeinsam mit Niedersachsens Kultusministerin Frauke Heiligenstadt und Wirtschaftsminister Olaf Lies über die Herausforderungen, denen sich die Berufsschulen insbesondere im Hinblick auf die digitale Transformation der Wirtschaft künftig stellen müssen.
Dazu stellte unter anderem Prof. Lars Windelband, Studiendekan und Institutsleiter an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd, die Ergebnisse seiner Studie zu Industrie 4.0 und dem daraus folgenden Qualifizierungsbedarf in der Metall- und Elektroindustrie vor.
Für Dr. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer von NiedersachsenMetall, nehmen die Berufsschulen eine Schlüsselposition ein, wenn es darum geht, Mittelstand und Handwerk nicht zum Verlierer der Digitalisierung werden zu lasen: „Derzeit gilt, je kleiner der Betrieb, desto größer das Defizit beim ‚digitalen Reifegrad‘. Es ist vor allem der Mangel an Know-how, der in vielen Betrieben dazu führt, dass man erstmal abwartet und sich mit Investitionen zurückhält. Bei den Gründen stehen vorne ganz klar fehlendes Fachwissen und fehlende Fachkräfte.“
Berufsschulen kommt bei der Digitalisierung entscheidende Rolle zu
So hätten sich laut Umfragen von NiedersachsenMetall zwar 75 Prozent der Firmen mit über 500 Beschäftigten bisher mit 4.0-Geschäftsmodellen ganz konkret beschäftigt. Im klassischen industriellen Mittelstand mit 100 bis 500 Beschäftigten seien es gerade noch 24 Prozent. Bei Unternehmen unter 100 Mitarbeitern läge die Quote nur noch bei 11 Prozent. „Wir müssen also aufpassen, dass der Mittelstand nicht den Anschluss verliert. Hier wird den Berufsschulen eine entscheidende Rolle zukommen. Aber sie müssen auf der Höhe der Zeit sein - beim Breitbandanschluss, bei neuesten Rechnern und moderner Software und beim Lehrpersonal.“ Schmidt mahnte an, dass in den nächsten 10 Jahren ein Drittel der Berufsschullehrer in Rente ginge: „Uns droht, der Nachwuchs in der dualen Ausbildung verloren zu gehen, auch weil den Berufsschulen die Lehrkräfte ausgehen.“
Neben den Unterschieden zwischen großen und kleinen Betrieben, drohe sich auch der Graben zwischen Stadt und Land zu vertiefen: „Handwerk und inhabergeführter Mittelstand bilden das Rückgrat für Beschäftigung im ländlichen Raum. Diesen Unternehmen fällt es zunehmend schwer, ihre Ausbildungsplätze zu besetzen. Ähnlich fallen die Unterschiede zwischen den Berufsschulen in der Stadt und denen jenseits der urbanen Gebiete aus.“
Lehrermangel herrsche in der Stadt wie auf dem Land, aber laut einer Umfrage von NiedersachsenMetall bemängelten fast 40 Prozent der Unternehmen in den ländlichen Regionen die Ausstattung der Berufsschulen etwa im Bezug auf den Breitbandanschluss. In den Ballungsräumen lag dieser Wert nur bei 10 Prozent. „Wenn man es also ernst meint mit der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land bekommt auch die Ausstattung der Berufsschulen eine regionalpolitische Dimension.“
Brauchen klares Plädoyer für leistungsfähige Berufsschulinfrastruktur
„Ein klares Plädoyer für eine leistungsfähige Berufsschulinfrastruktur ist eine notwendige Bedingung, damit Handwerk und Mittelstand im ländlichen Raum nicht den Anschluss verlieren“, so Schmidt abschließend. „Wir sind zu Recht stolz auf die klassische duale Ausbildung in Deutschland. Aber sie befindet sich ohnehin schon in einer Sandwich-Position zwischen Nachwuchsmangel und Studien-Hype. Eine mangelhafte Ausstattung der Berufsschulen darf nicht dazu führen, dass sich dieser Trend noch verstärkt.“
Der Bildungskongress 2017 unter dem Titel „Bildung auf dem Prüfstand – Industrie 4.0 in Berufsschule und Betrieb“ ist eine gemeinsame Veranstaltung von NiedersachsenMetall, der Stiftung NiedersachsenMetall, dem Niedersächsischen Kultusministerium sowie dem Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr.