„Bildung auf dem Prüfstand“: Experten diskutieren über die Integration jugendlicher Flüchtlinge an Niedersachsens Schulen.
Auf dem diesjährige Bildungskongress von Arbeitgeberverband und Stiftung NiedersachsenMetall im Hannover Congress-Centrum diskutieren Experten der hiesigen Schullandschaft vor über 200 Gästen gemeinsam mit Ministerpräsident Stephan Weil und Prof. Dr. Michael Becker-Mrotzek vom Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache der Universität Köln über die Frage, wie die Integration jugendlicher Flüchtlinge an Niedersachsens Schulen gelingen kann.
Für Dr. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer von NiedersachsenMetall, nimmt die Integration der Flüchtlingskinder in das hiesige Schulsystem eine Schlüsselfunktion in der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe der Bewältigung der Flüchtlingskrise ein: „Damit aus der Flüchtlingskrise nicht auch eine Integrationskrise wird, müssen wir heute auch im Schulsystem die richtigen Weichen stellen. Dabei ist Sprache der erste, elementare Schritt.“
Optimismus weicht Ernüchterung
Schmidt attestiert dabei, dass der Optimismus der ersten Monate einer gewissen Ernüchterung gewichen ist: „Viele Flüchtlinge sind kaum oder gar nicht formal qualifiziert, etlichen war der kontinuierliche Zugang zu schulischer Bildung verwehrt. Laut einer Erhebung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge haben etwa ein Viertel der erwachsenen, anerkannten Flüchtlinge aus Syrien weniger als fünf Jahre lang eine Schule besucht. Bei anerkannten Flüchtlingen aus dem Irak lag der Anteil bei einem Drittel. Selbst gut bis exzellent qualifizierte Flüchtlinge verfügen in aller Regel nicht über deutsche Sprachkenntnisse.“
Schmidt spricht trotz aller Herausforderungen auch von der Chance, die die Jugendlichen bedeuten: „Auf der einen Seite stehen rund 1 Million Menschen, die im letzten Jahr vor Krieg und Terror nach Deutschland geflohen sind, 100.000 von ihnen zu uns nach Niedersachsen. Demgegenüber stehen die rund 1,4 Mio. Fachkräfte, die uns in Deutschland bis zum Jahr 2020 fehlen werden. In den klassischen Ausbildungsberufen fehlen uns heute allein in Niedersachsen bereits über 22.000 Jugendliche.“
Erste Generation von Flüchtlingskindern darf nicht zur verlorenen Generation werden
Zwar werde der aktuelle Zuzug von Flüchtlingen das deutsche Nachwuchs- und Fachkräfteproblem nicht komplett lösen, so Schmidt. „Aber wenn wir dafür sorgen, dass heute Integration an den Schulen gelingt, können gerade die jungen Flüchtlinge einen Teil dazu beitragen, die Fachkräftelücke von morgen zu schließen. Es liegt in unserer Hand, dass aus diesen Einwandererkindern keine verlorene Generation wird.“
Dabei müsse auch jungen Erwachsenen der höhere Wert einer dualen Ausbildung gegenüber schnell zugänglicher Hilfsarbeitertätigkeit deutlich gemacht werden. Schmidt: „Auch das ist gesamtgesellschaftlich zu leistende Bildungsarbeit.“
Wirtschaft stellt sich ihrer Verantwortung
„Auch Niedersachsens Unternehmen sehen die Verantwortung, die Integration geflüchteter Menschen mit Bleibeperspektive durch Arbeit – und vor allem durch Ausbildung – zu unterstützen“, unterstreicht Schmidt. „Gemeinsam mit der IG Metall und der Bundesagentur für Arbeit entwickeln wir derzeit ein Modell, das die Betriebe nicht überfordert und gleichzeitig dazu beiträgt, Flüchtlinge in Ausbildung zu bringen.“
Schmidt weiter: „Die Wirtschaft kann immer nur ein Partner bei der Integration von Flüchtlingen sein. Arbeit ist ein wichtiger Bestandteil, an erster Stelle steht aber der Spracherwerb. Sprache ist die Grundlage für jeden weiteren Bildungserfolg oder auch -misserfolg. Die wichtigste Aufgabe ist jetzt, diesen jungen Menschen Zugang zu unserer Sprache, zu schulischer Bildung und damit Zugang in die Mitte unserer Gesellschaft zu ermöglichen. Hier gibt es kein Allheilmittel, dass pauschal auf alle Problemlagen die passende Antwort gibt.“ Schmidt weist darauf hin, dass es derzeit von Bundesland zu Bundesland verschiedene Herangehensweisen gibt, auf die Prof. Becker-Mrotzeck auf dem Kongress selbst eingehen wird.
„Eines ist sicher: Auf Niedersachsens Schulen kommen gewaltige Herausforderungen zu“, so Schmidt abschließend. „Die Eingliederung von jugendlichen Flüchtlingen wird über Jahre den Schulalltag prägen, weil es zum Beispiel ganz konkret die Frage der maximalen Klassengrößen berühren wird, wie auch die Zahl der erforderlichen Lehrer oder den zusätzlichen Deutschunterricht, der angeboten werden muss.“