Die Arbeitgeberverbände im Haus der Industrie fordern die niedersächsische Landesregierung auf, sich bei der Frage nach einer Öffnung der Schulen endlich von der starren Grenze einer Inzidenz von 100 zu lösen und wenigstens den Spielraum zu nutzen, den die Bundesnotbremse bietet. Spätestens ab Pfingsten müssten die Schulen ins Wechselmodell gehen, verlangt Dr. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände und Vorstand der Bildungsstiftung Niedersachsenmetall.
Aktuell dürften in 29 Landkreisen die Schulen wieder öffnen. „Wenn man allerdings den Richtwert der Bundesnotbremse von einer Inzidenz von 165 anlegt, an dem sich auch die anderen Bundesländer orientieren, dann könnten bereits in 41 Landkreisen und kreisfreien Städten die Kinder wieder in die Schule gehen“, sagt Schmidt. Das bedeute für Zehntausende Kinder, dass sie endlich wieder einen angemessenen Unterricht bekämen, bei dem sie auch etwas lernen könnten. „In nahezu allen europäischen Ländern werden oder sind die Schulen auch bei höheren Inzidenzen geöffnet. Nur Deutschland verharrt im Lockdown.“
Lehrer aller Schulformen schnellstmöglich impfen
„Die Landesregierung will am 10. Mai den Einzelhandel und die Außengastronomie großflächig öffnen. Das ist für die Branchen wichtig und daher völlig richtig“, sagt Schmidt. Doch wenn Shopping und Essen gehen wieder erlaubt sei, dann müsse auch der Unterricht im Klassenzimmer wieder möglich gemacht werden. Zumal sich seit diesem Montag die Lehrer aller Schulformen impfen lassen können. „Wir fordern deshalb, dass alle Lehrkräfte schnellstmöglich geimpft werden, damit sie und die Schüler mindestens im Wechselmodell in den Klassenraum zurückkehren können“, sagt Schmidt. Spätestens ab Pfingsten müsse der Unterricht wieder anlaufen.
Mittelfristig müsse das Kultusministerium alles daran setzen, dass jeder Schüler die Möglichkeit hat, den Lernstoff nachzuholen und zu vertiefen. „Wir fordern deshalb eine Ausweitung der Lernangebote, etwa in den Ferien oder an Samstagen“, sagt Schmidt. Dabei sollten die Arbeit in Kleingruppen sowie individuelle Förderung, vor allem von Kindern, die Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache haben, im Mittelpunkt stehen. Als Lehrkräfte, die dafür zusätzlich gebraucht würden, könnten etwa Lehramtsstudierende oder bereits pensionierte Lehrkräften gewonnen werden. „Zudem muss der digitale Ausbau der Schulen massiv vorangetrieben werden“, sagt Schmidt. „Wir brauchen einen Kraftakt für die Bildung.“
Kinder, vor allem aus sozial schwachen Familien, bleiben auf der Strecke
Über 200.000 Kinder und Jugendliche in Niedersachsen waren seit nunmehr 26 Wochen nicht mehr in der Schule, sind mehr schlecht als recht zu Hause mittels Homeschooling unterrichtet worden. Man müsse ihnen deshalb bis zu den Sommerferien die Möglichkeit geben, im Schulstoff den Faden wieder aufzunehmen. „Andernfalls bleiben Kinder vor allem aus sozial schwächeren Familien gnadenlos auf der Strecke“, sagt Schmidt. Er kenne viele Beispiele von Schülerinnen und Schülern, die seit Monaten nur Aufgabenzettel ausfüllten – ohne die Möglichkeit, Rückfragen zu stellen oder Erklärungen zu bekommen. „Die Didaktik bleibt auf der Strecke. Das können wir uns schlicht nicht länger leisten.“