Wie ein Start-Up aus Hannover einem großen Luftfahrtzulieferer in Hildesheim beim Codieren der Netzwerke hilft
Digitalisierung und Industrie 4.0 sind längst mehr als nur Schlagworte – nämlich Alltag in vielen Unternehmen.
So auch beim Luftfahrtzulieferer Arconic in Hildesheim. Dessen Geschäftsführer Jens Harde verfolgt einen ehrgeizigen Kurs beim digitalen Wandel seiner Fertigung. Ein großes Problem bisher: die Frage der Datensicherheit. Darauf hat Harde eine Antwort gefunden - in Form einer maßgeschneiderten Zusammenarbeitmit dem Start-Up Qabel aus Hannover.
„Als wir hier den Prozess der Digitalisierung 2017 intensiv aufgenommen haben, war bei uns die große Frage: ‚Wie schützen wir unsere Mitarbeiter vor Datenklau?‘“, erinnert sich Harde. Gesucht wurde ein Partner, der den Schutz sowohl von Prozess- und Maschinendaten als auch von Informationen rund um Mitarbeiter und Produkte gewährleisten kann. „Es geht aber auch um die Daten und den Datenaustausch, wenn wir in Zukunft neue Lernkonzepte nutzen“, sagt Harde. Wichtig sei nicht nur, Industriespionage vorzubeugen, sondern den Beschäftigten eine sichere emotionale Basis zu geben, damit sie den digitalen Wandel mittragen. „Wir wollen Sorgen um den gefühlten Diebstahl von Daten abstellen. Digitalisierung soll unsere Mitarbeiter entlasten, nicht belasten“, erläutert Harde.
Zu viele Firewalls sind das Gegenteil von Industrie 4.0
Qabel-Geschäftsführer Peter Leppelt erklärt, woran es bisherigen Lösungen fehlt: „Aktuell heißt die Empfehlung: Sichern Sie alles ab, machen Sie Ihre Netzwerke geschlossen! Aber das ist mit vielen Firewalls verbunden, das ist eigentlich das Gegenteil von Industrie 4.0, wo alle Geräte untereinander kommunizieren können sollten.“ Die Lösung des Hannoverschen Start-Ups heißt Ende-zu-Ende Verschlüsselung. Auf einem kleinen Chip ist die Qabel-Software hinterlegt, die es künftig jedem Bauteil und jeder Maschine bei Arconic ermöglichen soll, untereinander sicher Daten auszutauschen. Dritte können mit den verschlüsselten Datenmengen nichts anfangen, versichert Leppelt. Nur der Empfänger hat den passenden Entschlüsselungs-Code.
Damit dieses System funktioniert, müssen beim Luftfahrtzulieferer im Hildesheimer Norden alle Maschinen mit einem „Qabel Client“ ausgestattet werden – eine Herausforderung mit intensiver Vorbereitung. Hilfe holen sich die Software-Experten dafür beim Institut für Integrierte Produktion Hannover (IPH). Geschäftsführer Malte Stonis freut sich, dass das IPH Teil dieser in Niedersachsen „einzigartigen Zusammenarbeit“ ist. „Wir leisten technisch-organisatorische Unterstützung. Das heißt wir analysieren, an welchen Stellen Maschinen und Mitarbeiter Informationen austauschen können. Zusätzlich schlagen wir vor, mit welcher Soft- und Hardware eine derartige Vernetzung erfolgen kann“, erklärt Stonis.
Verschlüsselung macht Datenaustausch global möglich
Voraussichtlich im zweiten Quartal des Jahres soll das gemeinsame Projekt konkret starten. Dann könnte die CNC-Fräse den Arconic-Mitarbeitern nicht nur mitteilen, wann sie gewartet werden muss, wie schnell und wie heiß die Drehprozesse laufen und vieles mehr – sondern auch die Anbindung interner und externer Service-Dienstleister wäre geschützt und sicher. „Maschinen können die Daten mit der Instandhaltung oder dem Engineering genauso austauschen wie mit dem Anlagen-Lieferanten irgendwo in der Welt. Somit ist eine schnelle Reaktion auf Probleme möglich und es wäre sogar möglich, aufgrund des Datenaustausches vorbeugend zu reagieren“, betont Jens Harde. Peter Leppelt ergänzt, dass selbst Qabel diese Daten nicht mitlesen kann.
Harde sieht dem neuen Schritt in die digitale Zukunft optimistisch entgegen. „Industrie 4.0 heißt ja nicht, dass ich immer eine neue Maschine kaufen muss“, sagt er. „Die Basistechnologie für unsere Bedürfnisse ist schon da, jetzt geht es um passende Andockverfahren für die Industrie. Wir wollen diejenigen sein, die das in die Zukunft transferieren und unsere Erfahrungen danach mit anderen teilen.“
Qabel?!
Das Wort „Qabel“ kommt aus der Science-Fiction-Welt der Star-Trek-Filme. Es ist aus der klingonischen Sprache und bedeutet übersetzt „schlecht abzuhören“. Das Qabel-Programm ist eine kostenlose, quelloffene Kryptographieplattform, die nach Unternehmensangaben alles mittels Ende-zu-Ende-Verschlüsselung codiert, was an sie angedockt wird - vom Messenger über E-Mail bis hin zu Industrieanwendungen und Individuallösungen. Mehr Informationen unter: https://qabel.de/de/qabel