Der digitale Wandel verändert Berufsbilder und Aufgabenprofile massiv
Das betrifft besonders fertigungs- und fertigungstechnische Berufe.
So geht eine aktuelle Studie (IAB 04/2018) davon aus, dass bis zu 83 Prozent dieser Tätigkeiten potenziell von Computern ersetzt werden könne. Eine Million Jobs seien dadurch bedroht. Eine andere Studie kommt sogar zu dem Ergebnis, dass allein in den nächsten fünf Jahren insgesamt 3,4 Millionen Stellen wegfallen (BITKOM 2018). Hoffnung gibt die Aussage der Bundesregierung, dass 1,6 Millionen neue Jobs entstehen sollen. Systematische und zielgerichtete Weiterbildung ist der Schlüssel zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit der Fachkräfte. Dabei kommt es darauf an, die erforderlichen Kompetenzen auch kurzfristig und möglichst schnell aufzubauen und zu integrieren.
Was diese Erkenntnisse konkret für ein Unternehmen bedeuten, kann eindrucksvoll am Beispiel der Werkstransformation von MAN Truck & Bus AG am Standort Salzgitter geschildert werden. Unter dem Motto „LiA @ MAN Lebenslanges Lernen im Arbeitsprozess“ wird gemeinsam mit der Demografieagentur für die Wirtschaft GmbH sowie dem Institut für Fabrikbetriebslehre für Unternehmensforschung der TU Braunschweig (IFU) das Ziel verfolgt, Lernen in die Arbeitsprozesse zu integrieren. „Durch die Neuausrichtung des Standorts hin zum Komponentenwerk und zentralen Teileversorger innerhalb des Unternehmensverbundes haben wir in den letzten zwei Jahren keinen Stein auf dem anderen gelassen“, so Dr. Peter Meyer, Werkleiter am Standort Salzgitter. Das führte mit sich, dass Arbeitsbereiche wegfielen, jedoch gleichzeitig neue entstanden sind. Die Beschäftigten mitzunehmen, war von Beginn an ein besonderes Anliegen.
Das bloße Aneignen von Fachwissen wird künftig nicht mehr ausreichen
MAN stellte sich den besonderen Herausforderungen im Bereich der Qualifizierung. Die neuen, hochmodernen Fertigungsstraßen sind zum Teil vollverkettet. Gleichzeitig sind hochtechnologische Roboter und autonome Transportsysteme im Einsatz. Das bloße Aneignen von Fachwissen ist nicht mehr ausreichend. „Es ist ebenso wichtig, die Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenzen der Mitarbeiter zu fördern – und das am besten während der Arbeit“, so Jonas Wullbrandt, MAN-Projektleiter für LiA @ MAN und Doktorand am IFU der TU Braunschweig.
MAN Truck & Bus Salzgitter plant Ausweitung der angewandten Methodik auf weitere Unternehmensbereiche
Um das Qualifizierungsziel zu erreichen, wird MAN Truck & Bus AG in Salzgitter von der Demografieagentur als Expertin für systematische Weiterbildung begleitet. Lernen im Arbeitsprozess qualifiziert auch erfahrene Mitarbeiter für neue digitale Aufgaben. „Insbesondere für Geringqualifizierte oder ältere Beschäftigte hat sich diese Form der Weiterbildung durch den individuellen und selbstorganisierten Ansatz bewährt“, unterstreicht Irene Stroot, Projektmanagerin der Demografieagentur. Der unmittelbare Praxisbezug stellt sicher, dass gelernt wird, was tatsächlich erforderlich ist. Ebenso erleichtert es den oft schwierigen Transfer des Gelernten.
Gemeinsam mit MAN gestaltete die Demografieagentur die Rahmenbedingungen für die Weiterbildung. In der Vorbereitungsphase (vgl. Abbildung) identifizieren sie zunächst den Bildungsbedarf bei den Mitarbeitern. Dafür wurden prozessuale Arbeitsfolgen und Tätigkeitsprofile analysiert. Auf Basis der gewonnen Erkenntnisse erarbeiteten sie im zweiten Schritt Lernprojekte, beispielsweise zum Umgang mit Roboterstörungen sowie zur Verwendung von Mess- und Prüfmitteln. Gemeinsam mit eigens ausgebildeten Lernbegleitern aus dem Werk können die Mitarbeiter diese Lernprojekte nun während der Arbeit bearbeiten. Die Einarbeitung neuer Mitarbeiter wird vom klassischen Kollegentraining begleitet.
Zur Unterstützung des selbstorganisierten Lernens hat die standorteigene Lernfabrik, die MANAcademy, einen realitätsgetreuen Testroboter aufgebaut und programmiert. Das dazugehörige Lernprojekt ist so gestaltet, dass die Mitarbeiter den Störungsfall präventiv am Roboter nachvollziehen und bearbeiten können, ehe die Situation möglicherweise im Produktivbetrieb der Anlage auftritt. Ein verantwortlicher Meister zeigt sich vom arbeitsintegrierten Lernen begeistert. „Lebenslanges Lernen fördert bei den Kollegen das ständige Hinterfragen der Arbeitsprozesse. Das treibt uns tagtäglich weiter voran und bereitet unsere Beschäftigten auf die Herausforderungen der zukünftigen Arbeitswelt vor. “
Zukünftig soll die Methodik auch auf weitere Bereiche im Werk ausgeweitet werden, um das Unternehmen zu einer lernenden Organisation weiterzuentwickeln.
Einzigartig in Deutschland
Einzigartig in Deutschland: Die Demografieagentur für die Wirtschaft GmbH ist eine Beratungsgesellschaft, gegründet von den Sozialpartnern NiedersachsenMetall in Vertretung von Hauptgeschäftsführer Dr. Volker Schmidt und der Gewerkschaft DGB. Ihr Ziel: Unternehmen bei der Bewältigung des demografischen Wandels und des sich immer schneller vernetzenden und digitalisierenden Arbeitsumfeldes zu unterstützen. Weitere tragende Verbände und Institutionen haben sich diesem Anliegen inzwischen angeschlossen.