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17. September 2025

Konjunkturumfrage: Keine Trendwende in Sicht

Die Hoffnung auf eine konjunkturelle Erholung der niedersächsischen Industrie hat sich zerschlagen. So lautet das zentrale Ergebnis einer aktuellen Konjunkturumfrage unter 520 Mitgliedsunternehmen von NiedersachsenMetall und weiterer Industrie-Arbeitgeberverbände in Niedersachsen. Demnach verschärft sich die wirtschaftliche Lage weiter – bei Auftragseingängen, Beschäftigung und Investitionen. Besonders betroffen bleibt die Automobilindustrie, das Rückgrat der niedersächsischen Industrie. „Wir haben keine gesamtwirtschaftliche Dynamik. Wir stehen im neunten Rezessionsquartal in Folge und damit in der längsten Wirtschaftskrise in der Geschichte der Bundesrepublik. Die erhoffte Stabilisierung bleibt aus – im Gegenteil: Die meisten Unternehmen sehen derzeit kein Licht am Ende des Tunnels“, erklärte NiedersachsenMetall-Hauptgeschäftsführer Dr. Volker Schmidt. „Wir erleben eine strukturelle Krise mit tiefgreifenden Folgen für Arbeitsplätze, Wertschöpfung und Innovationskraft in unserem Bundesland. Steigende Sozialversicherungsbeiträge, ausbleibende Reformen des Sozialstaats, nicht wettbewerbsfähige Energiepreise: Wenn es dabei bleibt, müssen wir uns über Investitionen in Deutschland keine Gedanken mehr machen – die finden dann woanders statt.“ 

Hinzu kämen die Auswirkungen einer erratischen US-Zollpolitik, die 38 Prozent der Automotive-Betriebe und 36 Prozent der M+E-Unternehmen als erhebliche Belastung empfinden. Nur 22 Prozent der Unternehmen in der Autobranche gaben an, dass die US-Zölle keinen Einfluss auf ihr Geschäft hätten.

Dramatisch sei die Entwicklung in der Automobilindustrie. Dort berichten 59 Prozent der Unternehmen von Auftragsmangel – ein deutlicher Anstieg gegenüber Juni 2025 (47 Prozent). Auch in der gesamten M+E-Industrie klagen mittlerweile 45 Prozent der Betriebe über zu wenig Aufträge. Viele Unternehmen reagieren mit Kurzarbeit: 27 Prozent der Automotive-Unternehmen beabsichtigen dies im zweiten Halbjahr, in der M+E-Industrie insgesamt sind es 19 Prozent. „Die erhoffte Bodenbildung bei Aufträgen und Produktion in der Industrie in den Sommermonaten ist ausgeblieben. Alle Konjunkturindikatoren deuten darauf hin, dass es so schnell keine Erholung geben wird, sondern mit der Industrie weiter abwärts gehen könnte“, sagte Schmidt.

Beschäftigungsabbau nimmt Fahrt auf

Laut Umfrage planen 38 Prozent der Automobilunternehmen, auch 2026 Arbeitsplätze in Niedersachsen abzubauen. In der gesamten M+E-Industrie liegt dieser Wert bei 28 Prozent. „Der Personalabbau in der Industrie hält unvermindert an und wird sich im Winterhalbjahr beschleunigen“, warnt Schmidt. „In Niedersachsen hängen 63 Prozent der Beschäftigten im verarbeitenden Gewerbe an der Automobilindustrie – das ist eine Größenordnung, die kein anderes Bundesland kennt und die uns extrem anfällig macht.“ Entsprechend negativ sind die Produktionsaussichten für 2026: 33 Prozent der M+E-Unternehmen und 42 Prozent der Automobilbetriebe erwarten einen Rückgang ihrer Produktion. 
Vor diesem Hintergrund begrüßte Schmidt den Positionswechsel des niedersächsischen Ministerpräsidenten in der Debatte um das Verbrennerverbot: „Offenbar musste aber erst das Kind in den Brunnen fallen, um die Politik zum Einlenken zu bringen. Die Erwartung, dass innerhalb weniger Jahre die Kunden in Gänze auf E-Autos umsteigen, war nie realistisch. Wir haben oft genug darauf hingewiesen. Hohe Kaufpreise, mangelnde Ladeinfrastruktur und Strompreise von über 80 Cent pro Kilowattstunde an Schnellladesäulen sind Markteintrittsbarrieren, die sich nicht einfach ignorieren lassen. Insofern war es grundfalsch zu glauben, man könne das chinesische Elektromobilitätsmodell mit Strompreisen von 4 Cent pro Kilowattstunde einfach auf Europa übertragen. ,Par ordre du mufti‘ geht hier gar nichts, am Ende entscheidet immer noch der Kunde.“ 

Investitionen wandern ab - Standort Niedersachsen verliert

Insbesondere die schwache Investitionsaktivität gibt Anlass zur Sorge: 31 Prozent der M+E-Unternehmen planen für 2026 Investitionskürzungen. Besonders bedenklich: Nur 9 Prozent der Investitionen fließen aktuell nach Niedersachsen, während 70 Prozent im Ausland geplant sind, davon 46 Prozent innerhalb Europas und 24 Prozent außerhalb der EU, etwa in den USA (3 Prozent). „Für die längerfristigen Perspektiven ist dies verheerend. Die Abschreibungen übersteigen die Bruttoinvestitionen, die Nettoinvestitionen sind negativ, das Anlagevermögen schrumpft, wir desinvestieren“, sagte Schmidt. „Das heißt: Der Kapitalstock in Niedersachsen wird immer älter, unsere Wettbewerbsfähigkeit geht zurück.“
Appell an die Politik: „Herbst der Reformen“ notwendig

Schmidt fordert von der Politik endlich entschlossenes Handeln. „Wir brauchen einen echten wirtschaftspolitischen Kurswechsel – vergleichbar mit der Agenda 2010“, sagte Schmidt. Konkret fordert er:
·    Keine weiteren Steigerungen bei den Lohnnebenkosten
·    Einen Industriestrompreis von 6 Cent/kWh
·    Spürbare steuerliche Entlastungen für Unternehmen

„Die Lage ist ernst. Wenn jetzt nicht gehandelt wird, drohen uns ein massiver Verlust an Industriearbeitsplätzen, eine fortschreitende Deindustrialisierung und ein dauerhafter Rückgang der Innovationskraft.“ Neben wettbewerbsfähigen Energiepreisen und Steuersätzen bräuchte die Wirtschaft Sozialversicherungsbeiträge, die nicht weiterwachsen, wie der Verbandschef sagte: „Ein weiterer Anstieg um 0,5 bis 0,7 Prozent in 2026 wäre das absolut falsche Signal. Der politische Wille muss erkennbar sein, dass es keine Ausweitung der Leistungen im Sozialversicherungsbereich geben wird.“  

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