Ideen, Initiativen und Impulse
Liebe Leserinnen und Leser,
das konjunkturelle Umfeld, in dem wir seit Mitte Februar vorzeitig die Tarifverhandlungen für unsere niedersächsische Metall- und Elektroindustrie führen, könnte herausfordernder kaum sein. Denn weite Teile der Industrie legen derzeit eine Vollbremsung hin – das ist eines der Ergebnisse unseres Konjunkturausblicks für das Jahr 2020, den wir Mitte Januar in Hannover vorgestellt haben. Diese Erkenntnis scheint sich auch bei unseren Sozialpartnern von der IG Metall weitestgehend durchgesetzt zu haben.
Dies erklärt, warum wir in dieser Tarifrunde die gewohnten
Pfade verlassen haben und vor dem eigentlichen Verhandlungsbeginn bereits mit der Gewerkschaft zu vorgezogenen Gesprächen zusammengekommen sind. Für die IG Metall steht dabei die Beschäftigungssicherung im Mittelpunkt, eines unserer Kernanliegen für diese Runde sind neue, variable Lösungen für das bisher doch vielerorts als zu steif empfundene Korsett des Flächentarifvertrages. Oder um es mit den Worten unseres Verhandlungsführers Torsten Muscharski zu sagen: ‚One size fits all‘ funktioniert in der Tarifwelt des 21. Jahrhunderts nicht mehr.
Ein Ausgangspunkt dieser Krise findet sich übrigens bei genauer Betrachtung im Automobilsektor. Von dort frisst sie sich mittlerweile tief hinein in andere Branchen. Gezwungen durch unrealistische und überzogene Klimaziele der Europäischen Union, die weltweit ihresgleichen suchen, müssen die OEMs einen riskanten Kurs in Richtung Elektromobilität einschlagen – Ausgang ungewiss. Denn in Sachen Akzeptanz scheint es bei den Kunden noch gewaltig zu hapern. Das Dilemma zeigt sich in einer aktuellen Umfrage des renommierten Meinungsforschungsinstituts Allensbach: So glauben 80 Prozent der Deutschen, dass man mit bestimmten Maßnahmen die Klimabelastung im Bereich Mobilität und Verkehr reduzieren kann. Gleichzeitig danach gefragt, ob man auch ein E-Auto kaufen würde, ergibt sich das umgekehrte Bild: für 78 Prozent kommt die Anschaffung gar nicht oder eher nicht in Frage.
Dieses Grunddilemma, die Verunsicherung der Kunden und eine daraus möglicherweise resultierende langanhaltende Kaufzurückhaltung, hat Folgen für den Produktionsstandort Deutschland, bei OEMs und bei unseren Zulieferern. Der Fahrzeugbau trägt bundesweit unmittelbar 4 Prozent zur Bruttowertschöpfung bei und schafft zusätzlich 12 Prozent Wertschöpfung in anderen Branchen. In den Automobilländern Niedersachsen, Baden-Württemberg und Bayern kann man sogar von bis zu 25 Prozent Anteil ausgehen, was streng genommen immer noch zu kurz greift, denn die Investitionsgüterindustrie oder das Kfz-Handwerk sind hier noch gar nicht mit einbezogen.
In diesem Lichte führen wir also die Tarifverhandlungen in Deutschlands größter Industriebranche. Nun soll man den Tag nicht vor dem Abend loben, doch die ersten Gespräche mit der IG Metall waren vor allem von einem, in so schwierigen Zeiten ungemein wichtigen Attribut geprägt: Konstruktivität.
Dieser Zusammenhänge muss man sich bewusst sein. Gleichzeitig gilt es, nicht in Schwarzmalerei zu verfallen – denn wie man weiß, ist die Meinung über die Lage durchaus imstande, die Lage selbst zu beeinflussen. Von daher wollen wir Ihnen auch in diesem Heft wieder einen Einblick geben, was sich in unserer Metall- und Elektrowelt tut und dabei auch den Blick zurückwerfen auf ein ereignisreiches Jahr 2019, das sicherlich einen seiner Höhepunkte in der IdeenExpo in Hannover hatte. Sie endete mit einem neuen Besucherrekord von fast 400.000 Besucherinnen und Besuchern – ein Erfolg, zu dem wir als Mit-Initiator und in vielerlei Hinsicht bedeutendster Unterstützer und Ideengeber ganz wesentlich beigetragen haben. Und wir werfen unter anderem auch den Blick auf die Jubiläums-Auflage unseres Herrenhäuser Wirtschaftsforum, auf dem die Keynote unseres Bundestagspräsidenten Dr. Wolfgang Schäuble nur ein Highlight eines ungemein spannenden Abends war.
Seien Sie gespannt! Gute Erkenntnisse und
viel Spaß bei der Lektüre wünscht Ihnen
Ihr
Dr. Volker Schmidt
Hauptgeschäftsführer NiedersachsenMetall Verband der Metallindustriellen Niedersachsens e.V.